Wie gut das ich das habe – Teil 3 – Irish Tweed
Ich erinnere mich gerne an den Sommer vor neun Jahren. Unser Reiseziel war Irland und die Hoffnung war, dass es etwas weniger regnen würde, als im Jahrhundertregensommer zwei Jahre zuvor, als ich beruflich zwei Monate in Dublin verbringen konnte.
Wie das Wetter dann war, weiß ich gar nicht mehr. Ich erinnere vor allem eine wunderbar ruhige Zeit. Mit viel Laufen, Ausruhen, Lesen und Sitzen in gemütlichen Cafés. Oft mit Blick auf das Meer oder ein anderes Gewässer.
Unsere Unterkünfte waren auf dem Land, einmal ein einsames Haus, in dem wir morgens von Hühner geweckt und abends von Hunden in die Nacht verabschiedet wurden. Ein anderes Haus lag hoch auf einem Hügel mit Blick auf die Küste und einen kleinen Fischereihafen.
Besonders gut haben mir die kleinen Dörfer gefallen, durch die wir immer wieder gefahren sind. Geduckte Häuser, weiß oder bunt, oft mit Blumentöpfe vor den Fenstern oder liebevoll bepflanzten Vorgärten vor einer roten oder azurblauen Haustür. In einem dieser Dörfer – Ardara im County Donegal – sind wir in einem Geschäft für Stricksachen und Tweedstoffe gelandet. Und haben dann festgestellt, dass die Stoffe im hinteren Teil des Ladens an mehreren großen Webstühle auch hergestellt wurden. Wir waren zufällig in einer der berühmten irischen Handwebereien gelandet, die Donegal Tweed herstellen!
Ich war begeistert!
Und weil wenig los war, konnte ich mich mit einem der Weber unterhalten, der geduldig alle meine neugierigen Fragen beantwortete. Dass es immer noch solche Handwerker, solche Könner ihres Fachs gibt, macht mich regelrecht glücklich. Wie befriedigend muss es sein, wenn am Ende des Tages das Ergebnis der Arbeit vor einem liegt.
Allerdings wurden mir jegliche romantische Anwandlungen gleich wieder ausgetrieben. Weben ist vor allem eine anstrengende, körperliche Arbeit, die nicht gerade durch eine Vielfalt an Bewegungsabläufen ausgezeichnet ist.
Aber diese Stoffe! So wunderschön! Die Farbzusammenstellungen – ein Traum. Ich musste einfach einen Mantel mitnehmen. Aber die Entscheidung welcher es denn werden sollte.
– Oh my. I just don’t know which one to take.
Der Weber selbst hat es mir dann einfach gemacht, mich aus meiner Qual der Wahl erlöst. Er hat mir den Mantel aus dem „real Irish Tweed“ ans Herz gelegt. Den mit dem blauen Faden darin, blau wie das irische Meer oder der irische Himmel. Außerdem würde nur noch er diesen Stoff weben und das auch nur einmal im Jahr eine Partie. Da war die Entscheidung plötzlich ganz einfach.
Es war damals mit eines der teuersten Einzelkleidungsstücke, die ich mir je geleistet habe. Und natürlich habe ich mich gefragt, ob ich nicht eine Meise habe, so viel Geld auszugeben und ob es unbedingt handgewebter Tweed sein muss. Inzwischen habe ich längst vergessen, was der Preis war. Und ich weiß, dass er ihn auf jeden Fall wert war.
Seitdem begleitet mich dieser Mantel durch jeden Herbst und so manchen der immer milderen Winter. Er hat inzwischen schon einmal ein komplett neues Futter bekommen, weil die Originalseide nach sieben Jahren einfach durch war. Auch einen größeren Schaden mussten der Mantel und ich schon verkraften: Ich hatte ihn bei einem Konzert an der Garderobe abgegeben und mit einem riesigen, offensichtlich ausgerissenen Loch am Ärmeleinsatz wiederbekommen. Das Malheur wurde von zwei genervten, kaugummikauenden Teenies nur mit einem Schulterzucken quittiert. Dass sie nicht „Chill mal, Alte!“ gesagt haben, war eigentlich noch alles. Kein Beschweren half, man wies jede Schuld von sich.
Aber meine Schneiderin hat, wie schon mit dem neuen Futter, wieder ein kleines Wunder vollbracht und den Schaden fast unsichtbar wieder behoben. Auch sie eine handwerkliche Könnerin in ihrem Fach. Welch ein Glück!
Ich finde es großartig zu wissen, wer genau die Dinge herstellt, die ich besitze. Echte Menschen produzieren echtere Dinge als Maschinen, selbst wenn auch die von Menschen bedient werden.
Mein Mantel erinnert mich jedenfalls immer an den Sommer in Irland vor neun Jahren mit dem blauen Himmel und dem blauen Meer.
Die Weberei Triona in Ardara gibt es heute immer noch.