Ideenrausch & Ideenparalyse – Antwort 21
Darum geht es
Die allermeisten meiner Ideen werde ich nie verwirklichen.
Und inzwischen macht mir das nicht mehr viel aus.
Ideen, Träume, Wünsche, Vorhaben, Pläne, Ziele – was wirbelt da nicht alles in meinem Kopf kunterbunt durcheinander. Ich bin eben ein Scanner, da gehört das dazu. Leider aber auch die Scanner-Panik. Ein Gemütszustand, der sich für mich am besten als wuschige Starre beschreiben lässt.
Wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das die Erlaubnis hat, sich zu nehmen, was es will. Und dann so überwältigt ist, dass es unfähig ist, zu entscheiden, nach was es greifen soll. Man könnte das jetzt leicht als „Luxusproblem“ abtun, doch dadurch geht es dem Kind ja nicht besser. Denn am Ende steht das Kind entweder mit leeren Händen im Überfluss und fühlt sich lausig, weil es sich nicht entscheiden kann. Oder es hat „irgendwas“ gegriffen und fragt sich, ob das jetzt auch wirklich die „beste“ Wahl war. Und ob es jemals wieder in den Laden darf.
Ich habe mich lange Zeit wie das Kind gefühlt: Frustriert, paralysiert durch die Unfähigkeit zu entscheiden und unglücklich, weil ich mich nicht entscheiden konnte, worauf ich meine Aufmerksamkeit und Energie lenken wollte. Dazu habe ich mich noch geschämt, weil ich dieses Problem überhaupt hatte. Die vorwurfsvolle Stimme in meinem Kopf hielt mir das zuverlässig auch immer wieder vor: „Du stehst also mitten im tollsten Laden und du beschwerst dich. Geht’s noch?“ Ich ließ innerlich den Kopf noch weiter hängen und fand mich noch blöder als sowieso schon.
Relativieren von Kummer hat eben noch nie jemandem geholfen.
Die Frau mit der übervollen Wunschliste
Im September 2011 saß ich auf meinem Balkon und blätterte in der ersten Ausgabe eines unverschämt teuren britischen Frauenmagazins, dass ich mir frisch abonniert hatte.
Das war der Moment, der mein Leben verändern würde. Aber wie das oft so ist mit diesen wichtigen Momenten, wusste ich das zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Der Artikel beschrieb mein Problem und – die Lösung dafür.
Der Text war eine Buchrezension von Barbara Shers Buch „Refuse to choose“ – Was für eine Verheißung! Ich sollte mich gar nicht entscheiden müssen?! Ich habe das Buch sofort bestellt und in einem Rutsch verschlungen. Endlich hatte ich einen Namen für mein Problem und es stellte sich heraus, dass es gar kein Problem sein müsste. Es ging noch mehr Menschen so wie mir. Menschen, die Barbara Sher als „Scanner“ oder deutsch „Scannerpersönlichkeiten“ beschreibt. Menschen mit vielseitigen Interessen und großer Neugier auf immer neue Erfahrungen und Wissen. Sie beschreibt in dem Buch viele Strategien, um mit dieser Persönlichkeitsstruktur ein zufriedenes, reiches Leben zu führen. Allerdings meistens etwas abseits „normaler“ Lebenswege und Karrieren.
So fasziniert ich davon auch war, hat das Verfolgen dieser Idee damals zu viel von mir verlangt. Ich war noch nicht so weit, mein Leben auf solch grundlegende Art umzukrempeln. Das kam erst später, nachdem ich einige Workshops, ein Retreat und meine Coach-Ausbildung bei Barbara gemacht hatte. Und endlich nicht mehr geglaubt habe, ich müsse mich auf etwas „spezialisieren“. Im März 2016 habe ich zwar mein persönliches „Scanner-Manifest“ aufgeschrieben, aber das Umkrempeln hat dann trotzdem noch ein paar Jahre gebraucht. Es passierte langsam, meistens fast unmerklich.
Heute sind mir meine vielen Ideen, Interessen und schnell wechselnden Hobbies nicht mehr peinlich. Ich finde sie bereichernd für mein Leben.
Ich bin eben Viele.
Die Quintessenz ist für mich heute: Ich habe so viele Ideen, dass ich sie unmöglich ALLE verwirklichen kann. Ich kann mich stattdessen mit denen beschäftigen, die ich wirklich, wirklich toll finde. Der Rest ist für meine eigene Unterhaltung, findet den Weg in Geschichten oder dient dazu, mich selbst besser kennen zu lernen.
Wie beispielsweise die Idee mit dem Café. Ich habe mich sehr intensiv mit der Idee beschäftigt. Und wer wollte nicht schon mal ein Café eröffnen? Je mehr ich mich in das Projekt des „Blue Cat Café“ reingedacht habe – ja, der Ordner ist recht dick geworden- desto mehr habe ich bemerkt, dass ich gerne GAST an solch einem Ort wäre, aber nicht die GastGEBERIN. Ich wollte keine Gastronomin sein, sondern vor allem einen Ort zum Schreiben und kreativ sein in meinem Leben haben. Den habe ich mir jetzt eingerichtet. Von dieser Perspektive aus habe ich die Idee sogar verwirklicht, nur eben in transformierter Form.
Und was den Laden angeht, ich weiß jetzt, dass er immer geöffnet hat, ständig Nachschub bekommt und an manche Regale komme ich überhaupt erst jetzt dran. Außerdem sind noch lange nicht alle Ecken erkundet.