Intuition & Bauchgefühl – Mittwochsblog

Intuition & Bauchgefühl – Mittwochsblog

„I have a bad feeling about this!”

Han Solo, C3-PO, Luke Skywalker
in “Star Wars”

Intuition ist alles und nichts: Die Quelle aller Wahrheit und Ausdruck meines echten, authentischen Selbst laut diverser Bücher und Kursangebote. Die Anzeige auf Instagram sagt, dass ich nur meiner Intuition folgen muss und schon werde ich erfolgreich und glücklich.
Wäre das nicht wunderbar? Ohne schwieriges Nachdenken, ohne Zweifeln an meine Wahrheit, meine „Essenz“ gelangen und immer die „richtigen“ Entscheidungen treffen.

Entscheiden aus dem Bauch heraus

Hätte ich früher niemals gemacht. Diesem diffusen, wankelmütigen, nicht fassbaren Ding namens „Bauchgefühl“ ein Mitspracherecht bei Entscheidungen geben? Nein, danke! Ich fälle „rationale Entscheidungen“. Gut informiert, bis ins letzte durchgedacht und jederzeit für mich und andere gut begründbar und nachvollziehbar. Gefühlen oder gar dieser esoterische Intuition -was auch immer das sein sollte- traue ich nicht. Wo soll die denn überhaupt herkommen diese Intuition? Wie soll ich mich auf sie verlassen, wenn ich das nicht verstehen oder gedanklich nicht nachvollziehen kann?

Naja, das ist inzwischen eine Weile her und ich habe Erfahrungen mit intuitiven Entscheidungen und Ideen gemacht. Da gab’s so ne und solche…

Intuition ist mir schon ein bisschen suspekt

Vielleicht weil es so viele verschiedene Formen der Intuition zu geben scheint, eher eine Wolke an Möglichkeiten als DIE einzig passende Beschreibung.

Der Fußballer, der immer da steht, wo der Ball hinkommt, hat ein „Näschen“ für das Spiel.

„Ich habe keine Ahnung, wo die Idee herkommt, aber sie sieht gut aus!“

Der Unternehmer mit dem „Gespür“ für den nächsten Trend.

„Ich WEISS einfach, dass die Entscheidung die richtige ist!“

„Alles in mir sagt ‘Nein‘!“

Und damit werden Geschichten erzählt, bei denen es sich auch im Nachhinein als gute Entscheidung bestätigt hat, auf die Intuition zu hören. Aber zu dieser Beurteilung gleich noch mehr.

Ich nutze meine Intuition inzwischen nahezu täglich. Vor allem beim Schreiben ginge es nicht, ohne dass ich mich einfach treiben lasse, von dem was da geschrieben werden will. Nicht nachdenken, nicht zu genau hinschauen. Jedenfalls zunächst nicht. Nicht im kreativen Teil des Schreibprozesses, da muss es einfach fließen dürfen, wie es will. Wo da die Worte herkommen, ist mir immer noch schleierhaft. Auch was mein Hirn nachts so macht um mir morgens neue Gednaken zu präsentieren, verstehe ich überhaupt nicht. Aber ich finde es toll und hinterfrage es nicht mehr. In gewisser Weise habe ich aufgegeben, es verstehen zu wollen. Mit dem Stift in der Hand dem Weg folgen, der sich bei Schreiben von selbst baut. Das ist schon eine faszinierende Sache. Und es funktioniert. Das ist, was vor allem zählt.

„Self-Trust“

Das mit dem Fließen immer wieder hinzubekommen, ist eine Frage der Übung und ich musste es erst lernen, musste Erfahrungen sammeln. Ich musste lernen, mir zu vertrauen. Im Englischen gibt es das Wort „Self-Trust“ und ich glaube, dass man das auch auf das Vertrauen auf die eigene Intuition als Teil des Selbst ausweiten kann.

Auch heute gelingt es mir manchmal nur schwer in diesen Schreibfluss hineinzukommen. Mich ohne bewusste Intervention treiben zu lassen. Interessanterweise war das gerade bei diesem Blogpost so. Aber vielleicht ist es genau das Wesen der Intuition, dass sie sich einer rationalen, gedanklichen Analyse entzieht. Intuition will mysteriös bleiben, nicht verstanden, sondern angenommen und respektiert werden.

Aber…

Trotzdem finde ich blindes Vertrauen nicht fair meinen anderen Urteilsfindungsinstanzen gegenüber. Hirn und Ratio sind schließlich auch nicht ohne Grund da. Und manchmal sind sie die besseren Ratgeber. Wachsam-freundliches Vertrauen allen Beteiligten gegenüber ist da meiner Meinung nach passender.

Denn Selbst- oder Intuitionssüberschätzung kann auch unangenehm werden.

„Unter Intuition versteht man die Fähigkeit gewisser Leute,

eine Lage in Sekundenschnelle falsch zu beurteilen.“

Friedrich Dürenmatt

 

Sich hundertprozentig auf die Intuition zu verlassen kann auch nach hinten losgehen. Gute intuitive Entscheidungen treffe ich vielleicht nur dann, wenn ich schon viele Erfahrungen gesammelt habe, auf die meine Intuition zurückgreift und rasend schnell ein Urteil präsentiert. So wie bei der Fachperson, die nach einem Blick weiß, dass ein Kunstobjekt eine Fälschung ist. Und sich dieses Urteil nach aufwendigen Tests auch bestätigt. „Irgendwas stimmte nicht.“ ist da vielleicht die einzige Antwort auf die Frage, woher das Urteil kam. Eine unerfahrenere Person könnte das nicht so gut. Es ommt also sehr darauf an, welche Erfahrungen ich in meinem Leben schon gesammelt habe.

Und es ist wichtig, die verschiedenen „Intuitionen“ nicht durcheinander zu werfen. Fachliche Urteile fällen, Ideen haben, dem Flow folgen, Entscheidungen treffen oder Menschen beurteilen erfordert ganz unterschiedliche menschliche Qualitäten und Erfahrungen. Eine gute fachliche Intuition zu haben, sagt noch nichts über die anderen Bereiche aus.

Nicht zuletzt gibt es noch den guten alten „Confirmation bias“ oder Bestätigungsfehler. Das ist ein klassischer systematischer Denkfehler, der dafür sorgt, dass wir Informationen so auswählen, ermitteln und interpretieren, dass die eigene Erwartung bestätigt wird. Informationen, die unsere Erwartung oder Haltung nicht bestätigen, blenden wir aus, interpretieren sie um oder weigern uns schlicht, sie zu glauben. Wenn ich also glaube, dass meine Intuition mir immer das „richtige“ rät, werde ich alle Ereignisse, die dieser Überzeugung widersprechen ausblenden.

Ein bisschen Vorsicht tut also gut

Denn: War es meine Intuition, die gesagt hat, dass es OK ist, alle Kekse aus der Packung zu essen? War es meine Intuition, die mich das Jobangebot hat ablehnen lassen oder meine Angst vor dem Unbekannten? Ist es meine Intuition, die mich immer wieder vermeintliche Versöhnungs-Gespräche führen lässt oder eher mein Unwillen, Grenzen zu setzen und klare Ansagen zu machen? Und was ist mit der Stimme, die gesagt hat: „Das reicht noch nicht. Mach noch ein bisschen mehr. Und noch ein bisschen.“

So viele verschiedene „Stimmen“, die mir zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten ein „bad feeling“ oder ein gutes Bauchgefühl machen können. Manchmal ist es schwierig, aus diesen Gewirr die Stimme der Intuition, der Erfahrung sicher herauszuhören.

Gutes Ganz-Körper-Gefühl

Das ist mir inzwischen am allerliebsten und vielleicht ist das auch eigentlich gemeint: Entscheidungen fühlen sich dann gut an, wenn es nicht nur im Bauch stimmt, sondern im ganzen Rest eben auch. Manchmal dauert es dann eben ein bisschen, bis eine Entscheidung so richtig „stimmig“ ist, aber der Aufwand lohnt sich finde ich.

Ansonsten werfe ich einfach eine Münze: Wenn mir der Ausgang nicht gefällt, weiß ich, was ich wirklich will.  



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