In der Menagerie der fleissigen Tierchen – Wilde Reise – Mittwochsblog
Darum geht es
Welches fleißige Tierchen bist du?
Ich habe mich mal im Zoo der fleissigen Bürotierchen ein wenig umgeschaut. In diesem Blogpost stelle ich dir einige Exemplare vor. Jedes hat eine ganz besondere Motivation und spezielle Hindernisse für das Nein-Sagen. Vielleicht stellst du ja sogar Ähnlichkeiten mit dir selber fest. *
Das Bienchen – Ich bin super-fleißig!
Sie gibt niemals auf! Sie summt und brummt und macht Honig! Von morgens bis abends ist sie unermüdlich im Einsatz! Die Larven im Stock wollen schließlich versorgt sein. Ohne sie würden sie verhungern!!! Sie glaubt noch immer das Märchen, das ihr die Bienenlehrerin in der Wabe erzählt hat: Wenn du schön fleißig bist und alle Aufgaben brav und ohne Murren erledigst, wirst du eines Tages belohnt werden. Bescheidenheit, Fleiß und unermüdlich hin und her summen! Darauf kommt es an! Das Bienchen hat verinnerlicht: Ohne Schweiß, kein Preis! Deshalb ist ihr auch alles, was nach Mühelosigkeit aussieht, sehr verdächtig. Das kann ja gar nichts Gescheites sein! Auch übertriebene Freude an der Arbeit ist ihr suspekt. Wenn es so viel Freude macht, kann es keine ernstzunehmende Arbeit sein.
Das Bienchen hat also leider einen Hang zur Selbstausbeutung. Weil alle Bienchen um sie herum aber das Gleiche tun, stellt sie das System nie in Frage. Und wenn sie anfangen würde, sich angemessen viel auszuruhen, würde sie sehr schnell wieder zurück in die Truppe geholt.
Die Bärin – Ich bin stark!
Die Bärin kommt prima alleine klar. Sie hat die Sache voll im Griff und weiß ganz genau, wo und wie der Hase läuft. Für sie ist es wichtig, keine Schwäche zu zeigen. Der Bärin ist ihre Autonomie wichtig. Sie ist gerne für andere da, wie sich das für eine Bärin gehört, aber es soll ihr bitte niemand in die Sache reinreden. Hatte sie es nicht schon gesagt? Sie kommt schon klar! Es fällt ihr schwer, um Unterstützung zu bitten, wenn sie mit einer Aufgabe eben nicht allein klar kommt. Am liebsten würde sie sowieso das ganze Projekt alleine stemmen. („Bis ich es erklärt habe, habe ich es selber gemacht!“) Das führt dazu, dass sie sich oft überlastet, weil sie eher Aufgaben von anderen übernimmt, als selbst um Hilfe zu bitten. Stressig wird es für die Bärin, wenn sie sich unbekannten oder unsicheren Situationen ausgesetzt sieht. Dann hat sie das Gefühl, dass ihr die Kontrolle entgleitet. Das kompensiert sie dann manchmal durch noch mehr Stärke demonstrieren. (Und ganz bestimmt nicht durch NEIN sagen!) – Und wer einmal eine aufgerichtete Bärin gesehen hat, die ihr Territorium verteidigt, geht ganz schnell in Deckung. Für die Bärin ist das insofern blöd, als sie sich alleine auf der Lichtung wiederfindet und die ganze Arbeit tatsächlich alleine machen muss. Auf der anderen Seite kann sie sich weiterhin als die Stärkste fühlen.
Die Schwänin – Ich bin perfekt!
Anmutig und mühelos gleitet sie durch ihren Tag. Alles ist sauber. Nirgendwo eine Spur von Chaos oder Unordnung. Jede der makellosen weißen Federn liegt an ihrem richtigen Platz. Alles ist wunderbar. Alles ist gut. Sie kann eben alles. Natürlich tut sie der Kollegin den Gefallen. Ohne sie würde der Laden zusammenbrechen. Die Schwänin wird sie allerdings nie vergessen lassen, dass sie das getan hat. Der Tag, an dem sie die geleisteten Gefallen zurückfordern würde, ist gefürchtet als der „Tag des Schwans“. Alle haben Respekt vor ihr, denn von Zeit zu Zeit zischt sie alles und jeden an, die ihr zu nahe kommen. Das sind die Tage, an denen ihr klar wird, dass sie die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen wird. Wieder einmal. Ihr ist wichtig, bewundert zu werden und deshalb darf niemand sehen, wie sehr sie unter dem Wasserspiegel mit den Flossen paddelt, um gegen die Strömung anzukämpfen. Sie würde sich niemals treiben lassen. Unter keinen Umständen. Sie ist schließlich perfekt.
Das Huhn – Hab‘ mich lieb!
Was für ein angenehmes, freundliches Tier. Sie nimmt sich nicht so wichtig und akzeptiert die Hackordnung, wie sie eben ist. Sie würde sich nie dem Hahn oder dem Führungshuhn widersetzen. Hauptsache, das gemeinsame Ziel wird erreicht. Also ab ins Nest, das nächste Ei legen. Sie gackert schon längst nicht mehr so viel dabei. Eier legen ist schließlich nichts Besonderes, das machen doch alle hier. Sie bildet sich nicht ein, ein besonderes Huhn zu sein. Sie ist lieber mit allen befreundet. Wenn Bertha es nicht schafft, ihr Ei zu legen, legt sie eben zwei. Das passt schon. Berta macht das schließlich auch für sie. Das Eier-Soll muss erfüllt werden, sonst landet man schneller im Suppentopf als einem lieb sein kann. Für sie bedeutet es tierischen Stress, wenn sich der Hahn und das Führungshuhn nicht einig sind, was gemacht werden soll. Weil einem Durchschnitthuhn wie ihr keine eigenen Meinung zusteht und sie sich sowieso nicht zwischen den beiden entscheiden könnte – denn damit müsste sie ja einen von beiden enttäuschen – versteckt sie sich in solchen Fällen lieber hinter dem Stall.
Das Kaninchen – Ich bin schnell!
Sie kann alles noch schnell machen. Das ist überhaupt kein Problem, das liegt in ihrer Natur: Sie ist eben die geborene Sprinterin. Sie weiß, wie man die Zeit gut nutzt und Trödelei ist ihr zuwider. Alles, was schnell ist, ist gut. Alles, was schneller ist, ist besser! Es gibt noch so viel zu tun und zu erleben. Ruhe und Entspannung?! – Das ist was für Tiere, die ihre Zeit verschwenden und die wesentlichen Dinge im Leben verraten. Entschleunigung ist dem Kaninchen suspekt. Es ist schon so lange im Sprintmodus, dass es schon gar nicht mehr weiß, wie sich langsam laufen anfühlt. Wenn sie es doch mal versucht, wird sie sofort unruhig und hat Angst etwas zu verpassen. Die Zeit muss doch gut genutzt werden. Zu viel Zeit auf Muße und Freude zu verwenden, kommt ihr wie Verschwendung vor. Weil sie so schnell unterwegs ist, verpasst sie allerdings manchmal, wenn ihr ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen ist, den dann andere ausbügeln müssen. Das Kaninchen schläft oft schlecht, weil ihr im Kopf noch die tausend Dinge herumschwirren, die es morgen unbedingt erledigen muss.
Das bunte Zebra – Ich bin ich und das genügt!
Wo ein buntes Zebra auftaucht, macht sich schnell Verwirrung breit. Sie lässt sich nicht gut einschätzen. Man weiß vorher nie, ob sie Zeit für eine Bitte oder einen Gefallen hat. Sie sagt Sätze wie: „Da bin ich nicht die richtige Person für. Katharina kann das viel besser als ich.“; „Heute Vormittag bin ich voll verplant. Um 14 Uhr können wir aber gerne darüber sprechen.“; „Tut mir leid, dafür habe ich im Moment keine Zeit.“ Oder „Ok, Chefin. Ich kann das natürlich jetzt gleich machen. – Welches der beiden anderen Projekte soll ich dafür nach hinten verschieben?“ Am Telefon hat sie sogar mal gesagt, dass sie keine Lust auf diesen Film hat und ihr Freund bitte alleine gehen soll! Das hat das Huhn ganz genau gehört und war entsetzt!
Man weiß einfach nie, woran man bei ihr ist. Sie ist total unzuverlässig
Die anderen Tiere der Menagerie halten sie für selbstsüchtig, weil sie so gut wie immer pünktlich Feierabend macht und erst auf Mails antwortet, wenn es ihr in den Kram passt.
Widerwillig geben sie hinter vorgehaltener Hand zu, dass man dafür dann auch eine Antwort mit Hand und Fuß bekommt. Und wenn sie Zeit hat oder sie sich nimmt, weil wirklich etwas mistig läuft, ist sie total freundlich und nett und hilft super-geduldig weiter. Irgendwie schafft sie es, das „große Ganze“ im Blick zu behalten. Sie wirkt dabei auch noch gelassen. Sie nimmt nicht alles so tiereisch ernst und am lautesten kann sie über sich selber lachen.
Andererseits ist sie ein schreckliches Tier, weil sie sich nicht gut unter Druck setzen lässt. Gerade Bienchen und Huhn können sie deshalb nicht besonders gut leiden. Bärin und Schwänin bewundern heimlich ihre echte Unabhängigkeit und Souveränität. Das würden sie ihr aber niemals ins Gesicht sagen. Das Kaninchen fragt sich, wie es das bunte Zebra schafft, viel mehr als es selber in viel kürzerer Zeit zu erledigen. Und dabei auch noch weniger gestresst zu erscheinen! Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Da muss doch was faul sein.
Das Geheimnis des bunten Zebras
Das bunte Zebra mag sich. Das hat es auch erst lernen müssen. Als buntes Zebra in einer Herde mit schwarz-weißen Tieren aufzuwachsen, war nicht einfach.
Früher hat es sich oft selbst beschimpft, weil es sich nicht schwarz-weiß genug fand. Jetzt ist es freundlicher zu sich. Mit ihrem inneren schwarz-weißen Zebra hat sie sich inzwischen sogar angefreundet. Sie hat verstanden, dass es nur dafür sorgen wollte, dass es zur Herde dazu gehört. Und es hat eben geglaubt, dass sie dafür unbedingt schwarz-weiß wie die anderen sein müsste. Blöder Irrtum! Aber er kann total leicht passieren.
Das bunte Zebra weiß genau, wieviel Schlaf und Ausruhen sie braucht. Und dass das genauso wichtig ist, wie tief atmen und genug trinken. Sie wäre doch auch nicht so doof, sich das Atmen zu verbieten. Oder ein schlechtes Gewissen deswegen zu haben, weil sie schon wieder was trinkt.
Sie hat natürlich auch immer mal wieder ein schlechtes Gewissen und schämt sich ein bisschen, wenn sie zu jemandem aus der Familie oder zu einer Kollegin NEIN sagen muss, „bloß“ weil sie gut für sich sorgen will. Das Gefühl kann sie inzwischen aber gut handhaben. Sie fühlt es eben. Das ist zwar ein bisschen unangenehm, aber es bringt sie nicht um. Das weiß sie inzwischen.
Und dann sagt sie sich ihr Motto für diese Fälle vor: „Früher habe ich gedacht, es sei egoistisch, meine Erholungszeit superwichtig zu nehmen. Dabei stimmt das Gegenteil. – Die Menschen, die ich liebe und die Arbeit, die mir wichtig ist, verdienen es, dass ich in meiner besten Form für sie da bin. Nicht erschöpft, genervt und übellaunig.“[1]
Und vor allem möchte sie um ihrer selbst willen, dass es ihr so gut wie irgendmöglich geht. Nicht weil sie es sich verdient hat, sondern einfach, weil sie da ist und weil sie möchte, dass es allen Menschen, sie sie mag und liebt, gut geht. Und das schliesst sie selbst auch mit ein.
Das bunte Zebra hat außerdem erkannt, dass sie den Erwartungen der anderen Tiere, was ein Zebra zu tun oder zu lassen hat, nicht genügen muss. Sie kann selbst entscheiden, was ihr wichtig ist, für wen oder was sie ihre Kraft einsetzen will. Mit was sie sich verbunden fühlen möchte, welche Verantwortlichkeiten sie für eine Familie, ein Team, eine Gemeinschaft, die Gesellschaft oder das große Ganze annehmen möchte.
Und vor allem: Dass all das nicht bedeutet, dass sie sich dafür vollständig aufopfern muss!
Es geht nicht darum, dass alle zu bunten Zebras werden
Das wäre für die Schwänin ziemlich schwierig, egal wieviel Perfektion sie an den Tag legen mag. Und für alle anderen natürlich auch. – Das Zebra wäre auch nie so anmaßend zu behaupten, dass sie für alle die beste Lösung hätte.
Die fleissigen Tierchen können sich aber überlegen, wie bunt sie vielleicht werden möchten. Oder welche Farben zu ihnen passen. Was sie sich selbst mehr erlauben könnten. – Vielleicht gibt es auch etwas vom Zebra zu lernen oder abzugucken, damit es ihnen besser geht.
Ein wenig mehr wie ein buntes Zebra zu werden sieht für jedes Tierchen anders aus.
Wie das gelingen und warum es manchmal ziemlich schwer sein kann, darum geht es im nächsten Artikel.
„Was macht Nein sagen leichter? Was macht Nein sagen schwieriger?“ (verfügbar ab 21.04.2021)
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*„Die Menagerie der fleißigen Tierchen“ ist lose inspiriert von den „Antreibern“ aus der Transaktionsanalyse nach Eric Berne.
Wenn du mehr und etwas „seriöser“ darüber erfahren willst: Einfach nach „Antreibertest“ googeln.
Im Netz gibt es zahlreiche kostenlose Möglichkeiten solch einen Test durchzuführen.
Sehr empfehlenswert! Ich war … überrascht! …
[1] Frei übersetzt aus „Burnout – solve your stress cycle“ von Emilia & Amalia Nagoski, Vermillion, 2020, p.183 –> LESEN!!!
Die deutsche Ausgabe gibt es hier.
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