Improvisationstalent?! – Antwort 26

Improvisationstalent?! – Antwort 26

Meine Geschichte mit Improvisation ist eine Geschichte voller Missverständnisse.  Erst fand ich Improvisation dilettantisch. Entweder man kann etwas oder man muss improvisieren. So war das! Wer Erfolg wollte, musste planen und seine Fähigkeiten nach und nach aufbauen. So lange, bis man etwas eben konnte. Dann war man Profi und zu bewundern. Das Ergebnis war tadellos und über jede Kritik erhaben. Anstrengung, Können und Fleiß waren die Ingredi…. Zutaten für supergute Resultate. Applaus, Beifall, Anerkennung garantiert.

Mein Vater hat viel improvisiert.  Das haben wir nach und nach herausgefunden, als mein Bruder und ich uns an die Renovierung unseres Elternhauses gemacht haben. Es hat alles funktioniert und sah erstmal gut aus. Und günstig war es wahrscheinlich auch noch.

In den 80ern stand ich total auf McGyver. Boah, wie der nur mit Kaugummi, Büroklammer und Duct-Tape aus jeder Schwierigkeit wieder raus kam. Toll! Und sehr, sehr cool. Der konnte und wusste offensichtlich verdammt viel. Sonst wäre er doch gar nicht erst auf diese abgedrehten Ideen gekommen.

Also ist man entweder ein Improvisationstalent oder man ist keins! Mist! Das war’s dann für mich. Ich bin die mit den vielen Büchern und dem ganz genauen Plan. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Beim A-Team haben sie nie improvisiert. Ich war also A-Team. Sehr aufwendig. Und alleine stand man doof da. „A“ ohne Team kommt nicht weit. Das war bei McGyver anders.

Dann war ich mal besoffen. Wegen eines Whisky-Seminars mit vielen leckeren Sachen zum Probieren. Und Vergleichen. Und nochmal genauer nachschmecken. Open bar. Es war Jahresende und die Flaschen mussten leer werden. War schön! Dabei habe ich ein Versprechen gemacht. Das Versprechen, dass ich einen Improtheater-Workshop buche. Die Flyer dafür lagen in der Kneipe, in der das Seminar stattfand, rum, weil dort auch die lokale Improtheatertruppe regelmäßig auftrat. Nunja!

Das ist jetzt fünf oder sechs Jahre und eine ganze Menge Workshops her. Und nach und nach habe ich festgestellt, dass offensichtlich genug in mir drinsteckt an Ideen und spontanen Reaktionen. Jedenfalls wenn erst mal diverse Bremsen gelöst sind. Dann war da genug, um Szenen zu spielen, die anderen gefallen. Und genug, um großartig zu scheitern und von den anderen aus dem Geschichten-Schlamassel gerettet werden zu müssen. Auf jeden Fall genug, um selber jede Menge Spaß an der Sache zu haben.  Was auch an den Menschen liegt, die Improtheater machen. Wer so verrückt ist, sich ohne alles auf eine Bühne vor Publikum zu stellen, muss schon wenigstens ein bisschen verrückt sein. Das mag ich.

Was ich vor allem gelernt habe ist, dass ich mein Improtalent wachsen lassen kann. Improvisieren kann man erstaunlicherweise üben! Weil es um eine Haltung oder ein „Mindset“ geht. Es geht um ganz im Moment sein und anzunehmen, was da ist. Alles davon. Und es im Zweifelsfall noch größer zu machen. Viel größer.

Im Moment bringt mich diese Mindset durch nahezu jeden Tag: Schritt-für-Schritt; Annehmen, was ist; Spiele die Szene, die du selber gerne sehen würdest; Liebe deine Fehler. Im Moment improvisiere ich täglich, weil ich nicht weiß, wie lange ich an etwas konzentriert arbeiten kann. Wie ausgeschlafen ich überhaupt in den Tag starte oder wie schlimm die Schmerzen heute sein werden. Ich habe eine unsichtbare Krankheit, die im Dezember 2020 endlich diagnostiziert wurde. Fibromyalgie – das ist wie einen schlimmen Kater haben, nur ohne Party oder Alkohol. An den schlechten Tagen. An den guten Tagen merke ich fast nichts, bin „nur“ sehr schnell sehr erschöpft, wenn ich nicht auch langsam mache.

Deshalb hat dieser Text sehr viele kurze Absätze. Diesen Blogartikel schreiben war das letzte Mal, dass ich erfolgreich improvisiert habe.  

 

Mein aktueller Ansatz zum Thema Impro im täglichen Leben ist hier auch nochmal zu hören. www.barbarasclub.com/telesummit

(Englische Session beim Dare to Soar Telesummit im Februar 2021)



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.