Hallo, wer bist DU denn? – Antwort 37
Neugierig sein, zuhören, wahrnehmen, wer da vor mir steht. Wir alle freuen uns, wenn sich ein anderer Mensch offen und wohlwollend für uns interessiert. 🧐
Wie oft nehmen wir uns dafür aber umgekehrt Zeit? Vielleicht sind wir aber auch einfach nicht so sehr an unserem Gegenüber interessiert?
Und: Vielleicht würde es uns zu viel werden, wenn wir mehr über den anderen erfahren? Was ist, wenn derjenige mit etwas herausrückt, womit ich nicht umgehen kann?
Was ist, wenn ich auf der anderen Seite eigentlich gar nicht so viel von mir preisgeben möchte?
Vielleicht auch gar keine größere Nähe zum anderen entstehen lassen möchte? Aus was für Gründen auch immer.
Darum geht es
Was heißt das überhaupt: „Interesse am anderen haben“?
Für mich heißt es, offen zu sein gegenüber der Person, mit der ich zu tun habe. Bei Menschen, mit denen ich häufiger zu tun habe, ist das manchmal gar nicht mehr so einfach. Es gibt eine Menge gemeinsamer Erfahrungen. Ich glaube, ganz genau zu wissen, wie der oder die in einer bestimmten Situation reagiert. Ich habe es ja schon so oft mitbekommen. Was soll dieses Mal schon groß anders sein?
„Wir sind doch alle Gewohnheitstiere!“ – Wenn das meine Haltung ist, dann höre ich vielleicht gar nicht mehr richtig hin und nehme nur das wahr, was ich erwarte. Zack! Erwartung wieder erfüllt! Das ist Miteinander auf Autopilot.
Dinge bleiben dann oft oberflächlich, bleiben so wie sie schon immer waren. Oder es kommt zu Missverständnissen und Konflikten, weil ich verpennt habe, dass diesmal doch etwas anders war als sonst. Es wurde sogar schon behauptet, dass ich anderer Leute Sätze beenden würde! Oder ich habe schon mal vorschnell auf das geantwortet, was ich glaubte, das gesagt werden würde. (Alles haltlose Behauptungen! Würde ich NIE tun… 😉 )
Besser verstehen wollen – nicht Indiskretion
Wenn ich es aber schaffe, neugierig auf den anderen zu bleiben, auch wenn ich ihn oder sie schon länger kenne, dann kann ich eben doch einmal überrascht werden. Denn selbst wenn ich jemanden täglich sehe, kenne ich trotzdem nur die Spitze des Eisberg, der diese Person ist. Ganz vieles ist immer noch unsichtbar, liegt für mich im Verborgenen. (Manches bleibt wahrscheinlich auch besser genau da! – Also, ich muss nicht immer über alle Abgründe informiert sein. Mich würde das überfordern. Bin schließlich mit meinen eigenen schon vollauf beschäftigt! Aber das ist ein anderes Thema.)
Es geht jetzt nicht darum, eine Interviewreihe zu starten, um möglichst schnell möglichst viel über jemanden herauszubekommen. Das könnte dann doch eher irritierend wirken, stelle ich mir vor.
Improhaltung – Wie mir Improtheater dabei hilft, neugierig zu bleiben
Im Improtheater ist man unbedingt darauf angewiesen, möglichst viel vom Gegenüber mitzubekommen, damit man wenigstens einigermaßen passend reagieren kann. Wenn die Spieler aneinander vorbeispielen, ist die Szenen ziemlich schnell vorbei oder kommt nicht in Schwung. Beides ist blöd für die Zuschauer und sie Spieler sowieso. Damit dass nicht passiert, gibt es ein paar Haltungsgrundsätze, die das Zusammenspiel erleichtern.
Angucken
Also ganz simpel, den anderen genau anzuschauen, wenn er oder sie redet. Eigentlich total banal, aber sowohl auf der Bühne als auch in Gesprächen nicht immer leicht durchzuhalten. (Smartphone in der Hand irgendjemand??? 😊) Es ist allerdings erstaunlich, was man alles zu sehen bekommt, wenn man interessiert zuschaut! Das runzeln der Augenbrauen, den Ansatz eines Lächelns im Mundwinkel.
Zug um Zug
Auch völlig banal: Jeder bekommt die Chance, den eigenen „Zug“ zu Ende zu bringen. Dann erst ist der nächste dran, etwas zu tun oder zu sagen. Das entschleunigt ungemein. Und man bekommt viel mehr mit. Das erscheint erst mal langsamer, doch spart man sich das Auseinanderklamüsern von Missverständnissen. Und ich habe die Chance, einen klitzekleinen Moment nachzudenken, bevor ich quatsche! Das soll auch Wunder wirken!
Ich könnte mich zum Beispiel fragen: Was sind die Beweggründe für ein bestimmtes Handeln, eine bestimmte Aussage? Was steckt wirklich dahinter im Vergleich zu der Story, die ich mir ausdenke?
Interesse am anderen als Gesprächshaltung
Damit das nicht so schwer fällt, hilft es, als Grundhaltung ein Interesse am anderen, eine gewisse Neugier zu kultivieren.
Das schließt auch mit ein, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass eine Meinung, die ich von einem andern Menschen habe, vielleicht nicht zu 100% zutrifft oder eines Updates bedarf.
Wer ist denn noch derselbe Mensch wie vor einem Jahr? Oder vor einem Monat?
Also Ich bestimmt nicht!