60 Fragen – Antwort Nr.5
Beantwortest du die Frage „Was machst du?“ mit deinem Beruf?
Was war das schön, als ich noch sagen konnte: „Ich bin Apothekerin!“ Weißer-Kittel-Beruf, respektabel, angesehen und jeder hat eine Vorstellung davon, was das ist.
Auch erfreulich war: „Ich bin Training-Manager!“ Da war ich fest angestellt bei einem großen Unternehmen mit anständiger Reputation.
Es fühlte sich gut an, diese Sätze zu sagen. Ich konnte mir für mich persönlich etwas Renommee und gutes Image von den Berufsbezeichnungen ausborgen. Meinem Ego hat das gut gefallen.
Ich konnte mich gut damit identifizieren, weil diese Jobs in meinem Umfeld akzeptiert waren, jedenfalls nicht negativ konnotiert. Ich brauchte mich für meine Berufe weder schämen, noch musste ich sie verteidigen. In meiner Bubble hat eben nie jemand die Nase gerümpft über mein Apothekerin-Sein.
Ich musste nie abfällige Kommentare hören wie „Ach, du bist also auch eine von denen, die sich eine goldenen Nase an überteuerten Arzneimittel verdienen!“ und mir wurde auch nie persönlich vorgeworfen, doch nur ein Lakai der Pharmaindustrie und deren Lobby zu sein. Und was derlei Meinungen mehr sind. „Apothekenpreise! Kenn ich! Ich kauf‘ jetzt immer im Netz!“ Alles nie gehört. Ich konnte mich in meiner Schublade also recht gemütlich einrichten.
Gleichzeitig wollte ich eigentlich nie Apothekerin sein.
Im Praktikumsprotokoll aus der 9. Klasse steht: „Der Beruf ist sehr langweilig. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals in einer Apotheke zu arbeiten!“ Und so ganz bin ich dieses Urteil nie losgeworden. „Fachapothekerin für Klinische Pharmazie“ zu werden war schon mal was.
Langfristig hat das aber auch nichts genutzt: Schlussendlich habe ich den Kittel vor 15 Jahren an den Nagel gehängt und meine Berufsidentität gründlich ausgetauscht: Jetzt war ich „Training-Managerin“. Das klang nach Businessanzug und Karriere und genauso fühlte es sich auch an. Es klang nach „Ich hab’s geschafft!“ Denn sonst hätte ich schließlich keinen englischen Jobtitel gehabt, oder?
Natürlich kaufte ich mir auch die passende Uniform: Hosenanzug und Pumps statt Kittel.
Gleichzeitig konnte ich meiner Leidenschaft für Lernen und Wissensverbreitung frönen. Das auch noch im Ausland und mit Teilnehmern aus so ziemlich allen Ländern der Welt. Identifikation war einfach, weil ich meinen Job richtig gern machte.
Und heute?
Heute kann ich die Frage nicht einfach mit einem Jobtitel beantworten. Und für eine ganze Weile fand ich die Frage so richtig blöd. Weil nichts zu passen schien. Kein Label, keine „Ein-Wort-Jobbeschreibung. Die Schubladen klemmten oder ich lappte über.
Im vergangenen Jahr habe ich mein Geld als Artikelschreiberin, Rechercheurin, Trainerin, Coach, Online-Moderatorin und sogar – als Urlaubsvertretung – als Apothekerin verdient. Außerdem arbeite ich an meinem ersten Buch, einem Roman. Ob ich damit jemals Geld verdienen werde, steht noch in den Sternen. Bin ich also schon Autorin?
Ich bin selbständig als…? Was ist mein Beruf?
„Eierlegendes Wollmilchschwein“ denke ich manchmal, aber ausgesprochen fühlt sich das einfach nicht gut an. Es gibt auch so wenige Projekte dafür.
Beim Schreiben der Antwort ist mir aufgefallen, wie sehr meine Identität als Person an den Jobtitel gebunden war. „Ich BIN Apothekerin.“ Ich hätte damals auch sagen können: „Ich arbeite als Apothekerin und ansonsten verschlinge ich Bücher und reise gern mit meinem Mann durch die Weltgeschichte.“ Das hätte ein kleines Bisschen mehr über mich verraten. Vielleicht wollte ich das damals nicht. Aber das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, ich habe mir zu der Zeit einfach keine Gedanken darüber gemacht.
Diese alten Identitäten mit all ihren Sicherheiten waren und sind jedenfalls futsch. Jetzt muss ich mehr über mich verraten oder rumdrucksen mit umständlichen Erklärungen.
Außerdem quatscht mir mein innerer Kritiker dauernd dazwischen mit seiner sehr dezidierten Meinung darüber, was respektable Berufe sind. Dem waren und sind meine vielen Jobs schon irgendwie peinlich. „Jack of all trades. Master of none.“ Und dann auch noch „Schreiben“!!!
Da rollt er schon die Augen. Er mag es halt gerne sicher und schön übersichtlich sortiert.
Wenn der dann durch ist mit seiner Kritisiererei und ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann, komme ich im Moment auf folgende Antwort:
„Ich verbreite Wissen über Gesundheit und Medikamente. Ich helfe dabei, dass Menschen zufriedener mit ihrem Leben werden und Gruppen gut zusammenarbeiten können. Außerdem habe ich einen Heidenspaß am Schreiben und Geschichten erzählen. Das mache ich beruflich und ansonsten verschlinge ich Bücher, werkle im Garten, gehe wandern und führe endlose Gespräche mit meinem Mann.“
Ich glaube, ich brauche gar keine „Ein-Wort-Job-Beschreibung“ mehr.
Und das fühlt sich gut und ein bisschen aufregend an.